Hessen (post)kolonial
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Kolonialausstellung Wiesbaden 1935
Die Wiesbadener Kolonialausstellung 1935 lässt sich indirekt auch im Goldenen Buch der Stadt nachweisen: Paul von Lettow-Vorbeck hatte sich nach einem Vortrag im Rahmen der Ausstellung dort verewigt. Die Veranstaltung dauerte vier Wochen, vom 8. März bis zum 7. April und fand im Nassauischen Landesmuseum statt; Lettow-Vorbeck trug sich am 10. März in das Goldene Buch ein, ebenfalls im März besuchte Adolf Hitler Wiesbaden.
Es handelte sich bei der Schau um die „Große Deutsche Kolonialausstellung“ des nationalsozialistischen Reichskolonialbundes, die erstmals 1933 bei der 39. Jahresausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) gezeigt wurde und anschließend durch etliche Städte in ganz Deutschland tourte. Sie war zuvor schon unter anderem in Chemnitz und Nürnberg gewesen, und gastierte anschließend (im Juni/Juli 1935) in Freiburg i.Br. sowie 1937 auch in Frankfurt. Nach Wiesbaden kamen insgesamt rund 10.000 Besucher.
Die „Große Deutsche Kolonialausstellung“ ist vielfach gedeutet worden als der Beginn einer nationalsozialistischen Kampagne, die die deutsche Bevölkerung auf den „Kolonialgedanken“ einschwören bzw. den Kolonialismus wieder fester im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten verankern sollte. Besonders betont wurde dabei (gerade vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise ab 1929) das ökonomische Potenzial der früheren deutschen Kolonien. Etwa als Rohstofflieferant seien Kolonien geradezu unverzichtbar, so eine Hauptthese der Ausstellung, müsse sich das Deutsche Reich seine Rohstoffe doch erst seit dem Verlust der Kolonien (wieder) bei ausländischen Lieferanten erkaufen.
Das Wiesbadener Tagblatt berichtete von der Ausstellungseröffnung mit ausdrücklicher Betonung einer kurz zuvor von Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht getätigten Äußerung: Deutschland werde nie auf seine Kolonien verzichten, hatte der Minister erklärt, was das Wiesbadener Tagblatt im Zusammenhang mit dem Zweck der Ausstellung zu der Formulierung veranlasste: „Afrika ist der Kontinent, dem das Sehnen des deutschen Menschen zustrebt.“[1] In einem der ersten Räume der Ausstellung sahen sich die Besucher demnach mit einer 8,5 Meter großen Afrika-Karte konfrontiert. Überschrift: „Stets daran denken…, stets dafür wirken!“
Organisiert wurde die „Große Deutsche Kolonialausstellung“ mit finanzieller Unterstützung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. Zu den ausstellenden Organisationen gehörten der Kolonialkriegerbund, das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten (Hamburg) sowie das Kolonialwirtschaftliche Komitee, das erneut eine große Ausstellung von Kolonialwaren betreute. Letztere nahm - anders als die meisten anderen Ausstellungsteile - gleich mehrere Räume ein und stand unter dem Motto „Deutscher Kolonialbesitz läßt deutsches Geld in deutschen Händen bleiben.“[2]
Daneben nahm auch der Teil zur Kolonialgeschichte einen prominenten Platz im Programm ein. Schutzverträge und andere kolonialpolitisch interessante Schriftstücke wurden hier gezeigt, außerdem Statistiken und Schaubilder. Ethnografische Gegenstände, darunter Geräte, Schilde, Speere und Trommeln afrikanischer Stämme füllten ebenfalls einen Ausstellungsraum. In einem Ehrenbuch waren zudem die Namen all derjenigen Deutschen vermerkt, die bei Kolonialkriegen bzw. militärischen Eingriffen in den Kolonien ums Leben gekommen waren.
Die „Kameruner Pflanzer“ hatten eine Sonderschau vorbereitet, ebenso das Wiesbadener Naturhistorische Museum, das afrikanische Tiere zeigte. In dem Raum, der dem Verkehr in den Kolonien gewidmet war, gab es Modelle von Schiffen und eine Lokomotive der Otavibahn (s. Otavi Minen AG) aus dem vormaligen Deutsch-Südwestafrika. Erneut nutzte auch die Kolonialschule Witzenhausen die Gelegenheit, auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen, außerdem waren die Bitterfelder Umschulungswerkstätten vor Ort.
Das Reichsgesundheitsamt informierte zum Thema „Die Schlafkrankheit in den Kolonien“, der Wiesbadener Briefmarkenverein empfing die Besucher mit einer Sonderschau deutscher Kolonialbriefmarken und einer Kolonialgeld-Sammlung. Im letzten Raum der Ausstellung fanden die beiden kolonialen Frauenverbände ihren Platz: der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft und der Frauenverein Rotes Kreuz für Deutsche über See.
Quellen und Literatur
- Jeff Bowersox: „Neuer Lebensraum in unseren Kolonien“. Die Berliner Kolonialausstellung von 1933, in: Ulrich van der Heyden/Joachim Zeller (Hg.): „…Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 177-184.
Zuletzt geändert: 19. Aug 2024, 15:34, Horstmeier, Philipp [horstmep]