Hessen (post)kolonial

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Theodor Koch-Grünberg

Theodor Koch-Grünberg (* 9. April 1872 in Grünberg (Hessen); † 8.Oktober 1924 in Vista Alegre, Brasilien), geboren als Theodor Koch, war Ethnologe und leistete wichtige Beiträge zur Erforschung Südamerikas. Theodor Koch studierte von 1891 bis 1896 klassische Philologie an der Universität Gießen und arbeitete an verschiedenen hessischen Schulen. Von 1898 bis 1900 nahm er als Fotograf an der zweiten Xingú-Expedition unter der Leitung des Leipzigers Hermann Meyer teil. Hierbei sollten die Quellen des Xingú, eines Nebenflusses des Amazonas, entdeckt werden – was nicht gelang.

Seit dieser Forschungsreise verlieh er sich selbst den Beinamen seines Heimatortes, Theodor Koch-Grünberg. Den Lehrerberuf gab er in der Folge endgültig auf, um sich fortan ganz der Forschung zu widmen und ab 1901 am Völkerkundemuseum in Berlin tätig zu werden. 1902 folgte seine Promotion. Von 1903 bis 1905 folgte die nächste Expedition nach Nordwestbrasilien an der Grenze zu Venezuela, an die Flüsse Rio Negro und Yapura. Dort untersuchte er das Volk der Baniwa und schrieb seine Erfahrungen 1910/1911 in seinem Expeditionsbericht „Zwei Jahre Unter Den Indianern. Reisen in Nord West Brasilien, 1903-1905“ in zwei Bänden nieder.

Dabei war er ein Pionier der anthropologischen Fotografie. Zugleich fertigte er erste Film- und Musikaufnahmen an. Wegen der damaligen technischen Möglichkeiten konnten diese zwar noch nicht synchron abgespielt werden, sie waren aber dennoch ein absolutes Novum. Vor allem die Aufnahmen von religiösen Tänzen und Gesängen bereicherten die Forschung enorm.

Im Jahr 1909 habilitierte er sich an der Universität Freiburg im Breisgau und wurde dort ab 1913 außerordentlicher Professor. Zudem wurde er 1915 zum Direktor des Linden-Museums in Stuttgart ernannt.

1 Forschungen bei den Pemónn

Von 1911 bis 1913 folgte eine weitere wichtige Forschungsreise nach Nordbrasilien und Südvenezuela. Das eigentliche Ziel war die Quelle des Orinoco, doch auch dieser Versuch war ohne Erfolg. Dafür konnte er umfangreiche Studien zu verschiedenen Ethnien, insbesondere den Pemón, anfertigen. Theodor Koch-Grünberg beschäftigte sich hierbei vor allem mit den Taulipang und Arekuná. Er dokumentierte ihre zahlreichen Mythen und Legenden und kehrte 1917 nach Deutschland zurück, um seine wichtigste Arbeit „Vom Roroima zum Orinoco“ in fünf Bänden zu veröffentlichen.

Auf einer Expedition mit dem amerikanischen Forscher A. Hamilton Rice und dem brasilianischen Filmer Silvino Santos verstarb er unerwartet am 8. Oktober 1924 an Malaria. Auf dieser Forschungsreise sollte der Oberlauf des Rio Branco kartographiert werden.

2 Würdigungen

Sowohl eine Straße als auch die Gesamtschule Theo-Koch-Schule in Grünberg tragen seinen Namen. Eine Dauerausstellung im Museum im Spital in Grünberg erinnert an Koch-Grünberg und seine Forschungsreisen. Außerdem zeigt es einen Teil der mit nach Europa gebrachten Artefakte. Sein Nachlass wird an der Philipps-Universität Marburg aufbewahrt, wo er im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes ausgewertet wurde.

3 Literatur

  • Ibero-Amerikanischen Institut Berlin, Themenportal „Deutsche Blicke auf Lateinamerika“ – Miradas alemanas hacia América Latina, 2009.
  • Michael Kraus (Hrsg.): Theodor Koch-Grünberg. Die Xingu-Expedition (1898-1900): Ein Forschungstagebuch. Köln u.a. 2003.
  • Michael Kraus: Bildungsbürger im Urwald. Die deutsche ethnologische Amazonienforschung (1884-1929), Marburg 2004.

Zuletzt geändert: 15. Sep 2023, 14:26, Horstmeier, Philipp [horstmep]