Hessen (post)kolonial

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Robert Schlagintweit

Robert Schlagintweit (ab 1859 von Schlagintweit) war ein deutscher Weltreisender und Geographieprofessor.

1 Lebenslauf

Robert Schlagintweit wurde 1833 als drittältester von fünf Brüdern in München geboren. Er studierte Geographie in München und schloss sich seinen älteren Brüdern Herrmann und Adolph in ihren Expeditionen in die Alpen 1852 zum ersten Mal an. Sein Doktorat in Geographie gewann er aus einer eigenen Expedition in das Kaisergebirge 1854 in Jena.[1]

Gemeinsam mit seinen Brüdern wurde Robert von Alexander von Humboldt empfohlen, um im Auftrag der britischen „East India Company“ Zentralasien zu erforschen und zu vermessen. [2] Robert Schlagintweit zeichnete sich dort u.a durch seine Besteigung des Kamet im westlichen Zentralhimalaya aus, der mit seinen 6766 Metern lange Zeit der höchsten von Menschen erreichte Punkt der Erde war.[3] Im Jahr 1857 kehrte er zusammen mit seinem Bruder Hermann wieder nach Deutschland zurück, wo sie den Versuch unternahmen, mit ihren gesammelten Objekten ein indisches Museum zu eröffnen.[4] Versuche einer Gründung in London oder Berlin scheiterten jedoch, sodass die Objekte in einer Privatausstellung in der bayerischen Jägersburg präsentiert wurden, wo ihr jüngerer Bruder Emil sein Wissen über Tibetologie vertiefte. Für ihre Verdienste wurden Herrmann und Robert Schlagintweit von König Maximilian II von Bayern 1859 in den erblichen Adelsstand erhoben.[5]

Schlagintweit verstarb 1885 in Gießen, wo er auch auf dem Alten Friedhof beigesetzt wurde.

1.1 Lehrtätigkeit in Hessen

Im Alter von 30 Jahren wurde Schlagintweit 1864 als erster Professor für Geographie nach Gießen berufen. Da die finanzielle Lage der Landesuniversität eingeschränkt war, wurde Schlagintweit nur auf ein Extraordinat berufen und musste seine finanziellen Mittel durch umfangreiche Vortragsreisen aufbessern.[6] Seine ersten Vorlesungen in Gießen trugen den Titel „Geographie von Hochasien“ und „Vergleichende Geographie Hochasiens, der Anden und der Alpen“. Während seiner Tätigkeit in Gießen tourte er weiterhin durch Deutschland, um mit seinen Vorträgen sowohl die eigene Figur als auch koloniale Aktivitäten im Ausland anzupreisen und gleichzeitig mittels Wissenschaft zu popularisieren.[7] Von seinen umfangreichen Sammlungen ist in Gießen lediglich ein Büffelgehörn erhalten, welches im Saal der Burg Gleiberg präsentiert wird.[8]

1.2 Koloniale Aktivitäten

Robert Schlagintweit wurde als Teil der britischen Herrschaftsdurchdringung Indiens rekruitiert. Dabei nutzten er und seine Brüder die koloniale Infrastruktur der East India Company. In seinen eigenen Schriften übernahm er viele der Stereotype der britischen Kolonialherren, und charakterisierte die Ausweitung der britischen Herrschaft als eine Kraft des Fortschritts.[9] Robert nutzte während seines Aufenthalts in Indien besonders die neuen Möglichkeiten der Kolonialfotographie, um Bilder von verschiedenen ethnischen Gruppen Indiens festzuhalten. Die Ethnien des Himalaya charakterisiert er als frei von Bräuchen, die in Indien als barbarisch gelten, wie z. B. die Witwenverbrennung, und empfiehlt den Europäern, den Himalaya zu besiedeln.[10] In seinen späteren Vorträgen, in denen er über seine Expedition berichtete, stilisierte er den Akt der geographischen Erforschung zu einem der Herrschaftsübernahme über das Land, sowohl über seine Bevölkerung als auch seine Ressourcen.[11] Schlagintweit und seine Vorträge über Zentralasien und die USA inszenierten ihn und seine Brüder als Nationalheroen, die Wissen aus der Ferne und damit möglichen Kolonien an ein größeres deutsches Publikum vermittelten. Dabei übertönte Schlagintweit viele seine britischen wissenschaftlichen Vorgänger, um sich selbst als Pionier darzustellen. Dabei wurde der Dienst, den Robert Schlagintweit und seine Brüder in Asien für das British Empire erbracht hatten, für das Bestreben, eigene Überseebesitzungen zu haben, von der deutschen Öffentlichkeit appropiiert.[12] Schlagintweit selbst sprach sich jedoch nie direkt für Kolonien aus, drückte jedoch starke Sympathien für das Verlangen, Zivilisierungsmission zu betreiben, aus.[13]

2 Literatur


[1] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.33.
[2] Ernst Giesig: »Das Geographische Institut an der Ludwigs-Universität Gießen 1864-2014« in: Giessener Geographische Schriften, Heft 84, 2014, S.13.
[3] Harald Uhlig, Das Neue Schloß als geografisches Institut - Frühe geologische Vorlesungen: Die Gießener Geographen Robert von Schlagintweit und Wilhelm Sievers, Gießener Geographische Schriften, Band 6, 1965, S.94
[4] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.256.
[5] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.296.
[6] Ernst Giesig: »Das Geographische Institut an der Ludwigs-Universität Gießen 1864-2014« in: Giessener Geographische Schriften, Heft 84, 2014, S.12.
[7] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.339.
[8] Harald Uhlig, Das Neue Schloß als geografisches Institut - Frühe geologische Vorlesungen: Die Gießener Geographen Robert von Schlagintweit und Wilhelm Sievers, Gießener Geographische Schriften, Band 6, 1965, S.95
[9] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.159.
[10] Heinz Peter Brogatio/Bernhard Fritscher/Ute Wardenga, Visualisierungen in der deutschen Geographie des 19. Jahrhunderts - Die Beispiele Robert Schlagintweit und Hans Meyer, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005), S.239
[11] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.116.
[12] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.336.
[13] Moritz von Brescius, German Science in the Age of Empire - Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018, S.357.

Zuletzt geändert: 14. Sep 2023, 14:59, Horstmeier, Philipp [horstmep]