Hessen (post)kolonial
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Kolonialausstellung Kassel 1911
Die Kolonialausstellung in Kassel 1911 war Teil der 25. Auflage der jährlichen Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und wurde als Ausstellung mit dezidiert kolonialwirtschaftlichem Schwerpunkt konzipiert. Die Wanderausstellung lockte zwischen dem 22. und dem 27. Juni knapp 200.000 Besucher in den Forst im Kasseler Stadtteil Bettenhausen. Besonderes Ziel dieser Kolonialausstellung war es, deutsche Landwirte für die Kolonien anzuwerben, die in Übersee tropische Produkte für den deutschen Markt produzieren sollten. In einer Ankündigung in der Deutschen Kolonialzeitung Nr. 21 vom 27. Mai 1911 hieß es dazu:
„Ihre Bedeutung liegt darin, den deutschen Landwirt auf die Aufgaben, die seiner in den Kolonien harren, aufmerksam zu machen, ihn anzuregen, sich als Pflanzer, Viehzüchter, Beamter, Aufseher oder Ansiedler an der Bodennutzung der Kolonien zu beteiligen, sich in den Kolonien neue Gebiete oder Tätigkeit zu erobern und so die ungeheuren Summen, die wir alljährlich für tropische Produkte nach fremden Ländern und Kolonien abführen müssen, für unsere eigenen Kolonien gewinnen zu helfen.“[1]
Zuvor hatte die Wanderausstellung schon in Hamburg Station gemacht, in Kassel präsentierte sie sich nun - so schrieb es die Deutsche Kolonialzeitung in einer Rezension - als „die bedeutendste bisher auf kolonialwirtschaftlichem Gebiete in Deutschland veranstaltete Schaustellung.“[2] Und an anderer Stelle hieß es als Bilanz: „Sie ist das beste Werbemittel für die Bestrebungen der Deutschen Kolonialgesellschaft und wird sicher wesentlich dazu beitragen, den kolonialen Gedanken in weitgehendster Weise zu verbreiten.“[3]
Insgesamt waren auf einem mehr als 60 Hektar großen Gelände (allein die Haupthalle war 56 Meter lang) an 84 Ständen über 2000 Exponate zu sehen.
Eine Abteilung zeigte sämtliche aus den Kolonien importierten Roherzeugnisse und die Arbeit auf den tropischen Plantagen. Eine weitere war der kolonialen Forstwirtschaft gewidmet und präsentierte sämtliche west- und ostafrikanischen Nutzhölzer. Daneben nahm die Demonstration der Verarbeitung der Rohstoffe durch die Industrie breiten Raum ein, namentlich war die Arbeit mit Ölpflanzen, Baumwolle, Kautschuk, Gummi, Kakao, Kaffee, Elfenbein und etlichen anderen Rohstoffen zu sehen. Unter den ebenfalls in einer eigenen Abteilung zusammengefassten wissenschaftlichen Gegenständen rangierte die Sammlung von Präparaten tropischer Tierseuchen in der Gunst der Besucher ganz oben. Des Weiteren bekamen Kolonialliteratur, Maschinen und Geräte der tropischen Landwirtschaft sowie seltene Jagdtrophäen aus Privatbesitz ihre jeweils eigene Abteilung.
Die Reederei Norddeutscher Lloyd stellte Modelle neuester Ozeandampfer aus, das Kolonialwirtschaftliche Komitee empfing die Besucher in einem eigenen Pavillion. Gleiches galt für die Kolonialschule Witzenhausen, die koloniale Nutzpflanzen, völkerkundliche Gegenstände und Lehrmittel sowie zoologische, mineralogische und botanische Sammlungen und etliche Bilder, Pläne und Schriften aus der Schule mitbrachte. Die Direktion des botanischen und pharmakologischen Instituts der Universität Marburg hatte indes Baumwollpflanzungen, Baumwollfrüchte und Kaffeebäumchen nach Kassel geschickt.
In der Abteilung zu Düngestoffen und Futtermitteln waren zwei der auf diesem Gebiet größten Deutschen Firmen vertreten: die Merck'sche Guano- und Phosphatgesellschaft und die Deutsche Phosphat-Aktiengesellschaft Bremen. Hier wie in allen anderen Teilen der Ausstellung kamen unzählige weitere Firmen aus ganz Deutschland hinzu.
Die Ausstellung der Rohstoffe war nach Kolonien geordnet. Aus Deutsch-Ostafrika wurden unter anderem Kaffee, Baumwolle, Mangrovenrinde, Bienenwachs, Kautschuk, Erdnüsse und Elfenbein gezeigt, aus Deutsch-Südwestafrika vor allem Tabak und Zwiebeln. Auch die Südsee war vertreten, ebenso chinesische Erzeugnisse.
Zuletzt geändert: 14. Sep 2023, 14:15, Horstmeier, Philipp [horstmep]