Hessen (post)kolonial
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Ludwig Bamberger
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[Ausblenden]verfasst von Philip Schubjé
Ludwig Bamberger (geb. 22.07.1823 in Mainz, gest. 14.03.1899 in Berlin) stammte aus einer jüdischen Bankiersfamilie aus Mainz und absolvierte sein juristisches Studium neben Heidelberg und Göttingen auch in Gießen. Bambergers Vater war ein jüdischer Kaufmann und Bankier, während seine Mutter der Familie „Bischoffsheim“ angehörte, deren Bankhaus in den 1830er Jahren an internationaler Bedeutung gewonnen hatte. Zunächst arbeitete Bamberger als Redakteur, später als Bankier. Anschließend war er von 1867 bis 1893 ein führender Politiker und Reichstagsabgeordneter verschiedener liberaler Parteien für das Großherzogtum Hessen. Seit Beginn der Revolution 1843 bis zu seinem Tod 1899 war er als Publizist tätig. Ludwig Bamberger gilt bis heute als „Vater der Münzreform und der deutschen Mark“, aufgrund seines Engagements zur Gründung der deutschen Reichsbank. Weiter erlangte Ludwig Bamberger Bekanntheit, indem er eine führende Position in der „Märzrevolution“ einnahm und sich somit für die freiheitliche, nationalstaatliche und parlamentarische Demokratiebewegung einsetzte. Neben seinem Engagement für ein vereintes und liberales Deutschland, setzte sich Ludwig Bamberger innerhalb der Opposition auch für eine Reform der von der Reichsregierung durchgeführten Kolonialpolitik ein und kritisierte vor allem die patriotischen Verflechtungen in Überseegebiete sowie den wirtschaftlichen Schaden, welche diese für das deutsche Mutterland mit sich brachten.
1 Lebenslauf
1.1 Studium und politische Anfänge
Bereits zu Studienzeiten interessierte sich Ludwig Bamberger nicht nur für seinen juristischen Studiengang, sondern auch für philosophische sowie ökonomische Theorien. Ebenfalls sympathisierte Bamberger früh mit liberalen und nationalstaatlichen Ideologien, aufgrund seiner Herkunft, welche durch die Mainzer Republik, als auch die politischen Diskurse Frankreichs geprägt waren. Zur Zeit Bambergers gehörte die Stadt Mainz dem Großherzogtum Hessen an, orientierte sich politisch jedoch stark am liberalen Vorbild Frankreichs. Diese Frankreichorientierung sowie der Wunsch nach einem starken, einheitlichen deutschen Nationalstaat veranlasste Bamberger 1843/44 dazu, unter anderem mit Friedrich Kapp, den studentischen Diskussionsclub „Walhalla“ in Heidelberg zu gründen. Nach seiner Studienzeit in Heidelberg und Göttingen promovierte er letzten Endes in Gießen, bevor er in seine Heimatstadt Mainz zurückkehrte. Nach Ausbruch der Februarrevolution im Jahr 1848 fing er an für die Mainzer Zeitung extrem liberale Artikel zu veröffentlichen, wodurch das Interesse an dem Blatt rasant stieg und Bamberger rasch zum Chefredakteur aufstieg. Viele seiner Artikel stilisierten die in Frankreich auftretenden, revolutionären Verhältnisse als Vorbild für Deutschland und berichteten über die Nationalversammlungen in Frankfurt, welchen er regelmäßig beiwohnte. Durch seine radikalen politischen Äußerungen und teilweise heftigen Kritiken an den oftmals gemäßigten Nationalversammlungen stieg Ludwig Bamberger schnell zu einem der führenden demokratischen Linken in Rheinhessen auf und vernetzte sich mit namenhaften Revolutionären wie Robert Blum oder Franz Zitz. Als Preußen die Revolution bekämpfte, beteiligte sich Bamberger 1849 am Pfälzischen Aufstand, dem letzten und gescheiterten Versuch, die deutsche Revolutionsbewegung zu retten.
1.2 Exil
Aufgrund des gescheiterten Aufstands und der vorrückenden preußischen Armee floh Ludwig Bamberger noch im selben Jahr in die neutrale Schweiz. Von dort aus reiste er 1849 nach London und fing im Bankhaus seines Onkels Bischoffsheim & Goldschmidt an zu arbeiten. In dieser Zeit knüpfte Bamberger unter anderem Kontakte zu Karl Marx. 1851 gründete er sein eigenes Bankhaus in Rotterdam namens Bankhaus L.A. Bamberger & Co. und heiratete ein Jahr später Anna Belmont aus Alzey, welche ebenfalls zur Familie Bischoffsheim gehörte. In den Jahren 1851/52 wurde in Deutschland vielen Revolutionären der Prozess gemacht, in welchem Ludwig Bamberger unter anderem zum Tode verurteilt wurde. Im darauffolgenden Jahr zog Bamberger nach Paris und wurde dort Teilhaber der Privatbank Bischoffsheim & Goldschmidt. Dort vernetzte er sich mit Spitzen der Politik und führte sein politisches Handeln aus dem Exil fort.
1.3 Rückkehr nach Deutschland und Einzug in den Reichstag
Die in Deutschland verordnete Amnestie für politisch Verurteilte aus der Revolutionsbewegung ermöglichte Bamberger 1866 die Rückkehr nach Deutschland, wo er im selben Jahr der nationalliberalen Partei beitrat und für welche er 1868 für Mainz in das deutsche Zollparlament gewählt wurde. Zu dieser Zeit näherte sich Bamberger dem damaligen Kanzler Otto von Bismarck an und gehörte sogar während des Krieges 1870/71 dessen vertrauten Kreis an. 1868 wurde Ludwig Bamberger für den Wahlkreis Hessen 9 (Mainz-Oppenheim) in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt. In der ersten Legislaturperiode des deutschen Reichstags (1871-74) war er Abgeordneter für den selben Wahlkreis. Bis zu seiner letzten Abgeordnetentätigkeit im Jahr 1893 zog Bamberger für den Wahlkreis Hessen 8 (Bingen-Alzey) in den Reichstag ein. In der Zeit nach der Reichsgründung war Bamberger ein führendes Mitglied der nationalliberalen Reichstagsfraktion und wirkte vor allem in der Finanzpolitik. Dabei war er federführend bei der Einführung von Mark und Schilling als einheitliche deutsche Währung sowie beim Übergang zur Goldwährung. Weiter beteiligte Bamberger sich intensiv bei dem Übergang der Preußischen Bank zur Reichsbank, welche zur Deutschen Zentralbank umgewandelt wurde und der Vorläufer der heutigen Deutschen Bank ist. Ein Umbruch in Bambergers politischem Wirken fand statt, als sich sein politisches Verhältnis zu Otto von Bismarck verschlechterte, da er dessen Schutzzollpolitik sowie das Sozialistengesetz strikt ablehnte. Daraufhin spaltete sich 1880 der linke Flügel der Nationalliberalen Partei ab, zu welcher Bamberger angehörte. Diese Sezessionisten bildeten später, durch die Fusion der Deutschen Fortschrittspartei mit der Deutschfreisinnigen Partei, die Liberale Vereinigung, welche die Schutzzollpolitik sowie den Föderalismus ablehnten und dem entgegen die Parlamentarisierung sowie die Freihandelsidee nach Vorbild des Manchesterliberalismus befürworteten.
2 Kolonialpolitische Ausrichtung
Nicht nur die Abspaltung des linken Flügels und die links-liberale, wirtschaftliche Ausrichtung Bambergers positionierte ihn und dessen Anhänger in die Opposition Bismarcks. Auch Ludwig Bambergers Haltung zu Deutschlands kolonialpolitischen Bestrebungen wich von der des Reichskanzlers sowie vieler konservativer und rechter Politiker seiner Zeit ab. Selbst betitelte Bamberger sich als den überzeugtesten Gegner deutscher Kolonialpolitik. Er setzte sich vor allem für eine reformierte und gemäßigte Kolonialherrschaft innerhalb des Rechts und mit einer geordneten Verwaltung ein, bei welcher die Rentabilität überseeischer Kolonialgebiete im Fokus steht. Somit lehnte Bamberger die kolonialen Bestrebungen per se nicht ab, jedoch kritisierte er die Umstände und Methoden der damals vorherrschenden Kolonialpolitik.
Vor allem kritisierte Bamberger die Großindustriellen, den Adel und die gebildete Gesellschaft, welche beabsichtigt haben sollen, durch die Kolonialpolitik ihr Begehren nach einer ausgedehnten Machtstellung zu befriedigen und somit koloniale Bestrebungen aus Prestigegründen betrieben hätten. In solchen zügellosen Handlungen sah er die Gefahr von nicht absehbaren Reaktionen anderer Länder, welche sich auf Überseegebieten von Deutschland bedroht gefühlt hätten, wodurch die internationalen Beziehungen hätten leiden und sogar ein Krieg auf europäischem Boden resultieren können. Als Vertreter der Freihandelslehre riet Bamberger zur Vorsicht bei der staatlichen Einmischung und Unterstützung von Privatunternehmen in den kolonialen Gebieten. So sah er bei der Samoavorlage die Gefahr einer Verwicklung nationaler Interessen in kolonialen Bestrebungen unter dem Deckmantel von wirtschaftlichem Engagement. Somit kritisierte Bamberger die Reichsregierung dafür, dass diese eine Involvierung patriotischer Bestrebungen in die wirtschaftlichen Überseehandlungen verursacht habe, durch die vom Staat vorangetriebenen, kolonialen Investitionsaufforderungen.
Neben der patriotischen Überspitzung der Kolonien warnte Ludwig Bamberger oftmals vor der Unrentabilität dieser und wollte den durch jene verursachten Schaden, in Form von Geld als auch menschlichen Opfern, gering halten. Aufgrund dessen kam Bamberger zu dem Schluss, dass die unrentablen Staatshandlungen der Kolonien nicht im Sinne des kaufmännischen Geistes stehen würden und somit auch nicht dem nationalen Interesse dienten, da Kolonialpolitik Wirtschaftspolitik sei und sich diese rechnen müsse. Aufgrund der einerseits internationalen Gefahr einer zu intensiven und radikalen Kolonialpolitik und der andererseits unrentablen Ausdehnung überseeischer Investitionen durch deutsche Firmen in Form von Anleihen etc., betitelte er beispielsweise die Ostafrikanische Kolonie als „ein sehr theures Spielzeug für die nationale Phantasie“[1] und kam zu dem Entschluss „je weniger Afrika, desto besser“.[2]
3 Literatur
- Helfferich, Karl: Ausgewählte Reden und Aufsätze über Geld- und Bankwesen von Ludwig Bamberger, (Schriften des Vereins zum Schutz der deutschen Goldwährung, Bd. 1), Berlin 1900.
- Koehler, Benedikt: Ludwig Bamberger: Revolutionär und Bankier, Stuttgart 1999.
- Weber, Marie-Luise: Ludwig Bamberger – Ideologie statt Realpolitik, Stuttgart 1987.
- Zucker, Stanley: Ludwig Bamberger – German Liberal Politician and Social Critic, 1823 – 1899, London 1975.
Zuletzt geändert: 13. Sep 2023, 12:42, Horstmeier, Philipp [horstmep]