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Kontroversen um den Film Africa Addio in Deutschland
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[Ausblenden]Der Film Africa Addio (1966) wurde nach seiner Premiere in ganz Westeuropa höchst kontrovers diskutiert. In der Bundesrepublik hatte die Filmbewertungsstelle (FBW) der Länder in Wiesbaden Africa Addio das Prädikat „wertvoll“ verliehen und die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft gab nach geringfügigen Kürzungen den Film zur öffentlichen Vorführungen ab 18 Jahre frei. Diese Beurteilung zog dann auch in deutschen Städten massive Proteste gegen den Film nach sich. Linke Studentengruppen und afrikanische Studierende trugen mit gezielten Störaktionen dazu bei, dass Kinobesitzer den Film vorläufig absetzten. Allerdings, und dies gehört zur vollständigen und durchaus ambivalenten Rezeptionsgeschichte von Africa Addio dazu, kam der Film einige Zeit nach den Protesten wieder in die deutschen Kinos, wo er dann, ohne erneut Protest auszulösen, über mehrere Monate lief.
Ausgangspunkt der Kontroversen um Africa Addio war Jacopettis Darstellung und Bewertung der zeitgenössischen Unabhängigkeitsprozesse im südlichen und östlichen Afrika. Zusammen mit seinem Koproduzenten Franco Prosperi und seinem Filmteam war er von Ende 1962 bis Ende 1964 durch Afrika gereist, um nach eigenen Aussagen den Prozess und die Folgen der Dekolonisierung dokumentarisch festzuhalten. Während nun die einen, wie die FBW, dieser Argumentation folgten und das dokumentarische Material des Filmes lobten, kritisierten andere die rassistische und erniedrigende Darstellung der Afrikaner, die gezeigten Gewaltszenen und die Aussage des Films, dass mit dem Rückzug der Europäer die Selbstzerstörung Afrikas beginne. An zahlreichen Orten kam es zu Protestaktionen gegen den Film, die bis hin zur Zerstörung von Kinosälen reichten.
1 Proteste gegen den Film Africa Addio in Gießen (August 1966)
Im August 1966 sollte der Film in Gießen anlaufen. Das Luxor-Kino in der Walltorstraße warb mit einer Filmanzeige in der Gießener Allgemeinen Zeitung am 4. August 1966 folgendermaßen für den Film:
„Atemberaubende Jagd auf Mensch und Tier - Schwarzer Super-Sex - Safari auf ,moderne art'. Ein spannender Bericht über Afrika wie wir es nie gesehen haben und nie sehen werden! Prädikat: wertvoll!“
Bereits wenige Tage am später berichteten dann Gießener Allgemeine Zeitung und der Gießener Anzeiger von Protesten gegen den Film. „Farbige“ Studenten und Leser beider Zeitungen forderten die Absetzung des Films, was dann auch am 10. August 1966 geschah. Wenige Tage zuvor war während der Aufführung des Films in Berlin ein Kino von Demonstranten zerstört worden. Auch über diese Aktion berichteten die Gießener Zeitungen.
2 Quellen
- Gießener Allgemeine, 4.8.1966, Nr. 178.
- Gießener Allgemeine, 10.8.1966, Nr. 183.
- Gießener Anzeiger, 6.8.1966, Nr. 180.
- Gießener Anzeiger, 8.8.1966, Nr. 181.
- Gießener Anzeiger, 10.8.1966, Nr. 183.
- Niels Seibert, Vergessene Proteste, Münster 2008.
- Quinn Slobodian, Foreign Front. Third World Politics in Sixties West Germany, Durham, NC 2012.
Zuletzt geändert: 24. Aug 2023, 15:12, Horstmeier, Philipp [horstmep]