Blog zur Lehrveranstaltung Exploratives Schreiben

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Sarah Haas: Der Sündenfall

[winteru] - 27. Sep 2021, 15:19
Die Welt brennt.
Städte. Dörfer. Ganze Wälder.
Rauchfahnen verdunkeln den Himmel und es ist alles nur noch schwarz und grau. Grau und schwarz.
Tik Tak.
Gebäude fallen in sich zusammen, als wären sie Kartenhäuser. Menschen schreien vor Angst und Verzweiflung, weil sie wissen, dass es zu spät ist, um zu fliehen. Weil sie wissen, dass sie dem Feuer nicht länger entkommen können.
Tik Tak.
Einige hoffen und beten, dass es sie verschonen mag.
Tik Tak.
Aber letztlich verschlingt das Feuer sie alle.
 
Das Ticken verklingt.
Die Zeit ist abgelaufen.
Doch das Feuer tobt noch lauter und wütender als zuvor.
Es lässt sich schon längst nicht mehr löschen. Es ist wie ein Kind. Grob. Unerfahren. Zerstörerisch. Und wir haben es über Jahrhunderte hinweg wachsen und gedeihen lassen. Wir haben es mit unserem eigenen Leib genährt. Bereit, alles zu geben, was zum Leben notwendig ist. Und wir haben erst viel zu spät realisiert, dass wir es nicht mehr aufhalten können. Dass das Kind dabei ist, seine Mutter auszusaugen. Wie ein Parasit. Aber es ist allein unsere Schuld. Wir haben uns unser eigenes Grab geschaufelt.
Und nun stehen wir da. Nackt bis auf die Knochen. Entblößt. Und vor allem: machtlos.
Es gibt nichts mehr, was wir ihm nicht schon bereitwillig geopfert hätten. Es gibt nichts mehr, womit wir uns noch wehren könnten. Es gibt nichts mehr, was wir noch retten könnten.
Und das Kind ist hungrig. Früher oder später wird es mehr wollen. Und das Einzige, was es jetzt noch fressen kann, ist das, was von uns übriggeblieben ist.
Es ist zu spät.
Die Zeiger der Uhr sind stehen geblieben. Der Sensenmann steht vor der Tür, um uns unsere Rechnungen begleichen zu lassen. Er lässt uns wissen, dass wir nun endlich für unsere Taten bezahlen müssen. Dass das der Lauf der Dinge sei. Denn wir waren es, die das alles erst ins Rollen gebracht haben. Und wir beginnen zu realisieren, dass die Zeit des Lebens nun verstrichen ist. Aber die des Feuers, die der Zerstörung, hat erst gerade richtig begonnen.
Wir können es nicht länger leugnen.
Wir wussten, dass es kurz vor zwölf ist. Wir haben die Zeit wie Verrückte vorangetrieben, weil wir dachten, dass das Fass immer noch nicht voll ist.
Und nun ist es zu spät.
Es ist nicht übergelaufen. Es ist auseinandergeborsten. Wie eine Bombe. Sein Inneres, all der Abfall, den wir dort zu verstecken versucht haben, hat sich auf der ganzen Erdkugel verteilt und den Keim des Bösen gedeihen lassen, als wäre unser sündiges Verhalten nichts weiter als wild sprießendes Unkraut. Und das Feuer hat es gierig aufgesogen. Es lebt von uns. Durch uns.
Es ist unser Kind. Unsere Schöpfung. Unser Vermächtnis.
Wir können die Uhr nicht wieder zum Ticken bringen. Denn eine andere hat bereits begonnen, eine neue Ära einzuläuten. Wir Menschen haben hier keinen Platz mehr. Wir sind auf diesem kaputten Rest Erde nicht mehr erwünscht. Nun regieren Hitze und Glut.
Auch die, die noch beten und hoffen, werden es einsehen müssen.
Es ist zu spät.
Und wenn es irgendwo da oben einen Gott geben sollte, dann müsste auch er machtlos zuschauen.
Er würde fassungslos sehen, wie wir Menschen alles zugrunde gerichtet haben, was einst uns gehörte.
Was wir hüten und um jeden Preis beschützen sollten.
Nun ist alles außer Kontrolle geraten. Selbst Gott kann daran nichts mehr ändern.
Denn hier sind es nicht mehr nur Sodom und Gomorra, die brennen. Sondern die ganze Welt.

 

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