Blog zur Lehrveranstaltung Exploratives Schreiben
Maja Klös: Die Welt hat sich verändert
Vor einer Zeit, die mir sehr lang vorkommt, aber eigentlich nicht lange her ist, hat es sich kalt und einsam angefühlt. Allein gelassen, auf sich selbst gestellt. Unsicher. Ungewiss. Unglücklich. Würden wir uns jetzt nicht lange Geschichten mit traurigen Konjunktiven erzählen können, in denen wir darüber lamentieren, was wir getan hätten, wenn die Welt nicht plötzlich auseinandergerückt wäre, wäre das wohl noch immer so.
Aber die Welt ist plötzlich auseinandergerückt. So sah es zumindest aus. Zwei Meter sind wir nun entfernt. Vor einer Zeit, die mir sehr lang vorkommt, aber eigentlich nicht lange her ist, hätte sich das kalt und einsam angefühlt. Unglücklich. Unsicher. Ungewiss. Es gibt lange Geschichten mit traurigen Konjunktiven, in denen es genauso ist. Aber es hat sich etwas verändert.
Die Welt hat sich verändert, als sie plötzlich auseinandergerückt ist. So ist es doch. Man hat uns allein gelassen und wir können uns jetzt gegenseitig aus der Ferne dabei zusehen wie wir uns gegenseitig aus der Ferne zusehen und uns lange Geschichten mit traurigen Konjunktiven ausdenken, an die wir uns das nächste Mal erinnern, wenn wir uns gegenseitig aus der Ferne zusehen.
Distanz. Du – die Distanz – Ich – die Distanz – die anderen. Umgeben von Distanz, unsicher, ungewiss, unglücklich, dabei kommt es mir nur lang vor, es ist noch gar nicht lange her, in den langen Geschichten mit den traurigen Konjunktiven, fühlt es sich noch so an wie früher. Aber jetzt hat sich die Welt verändert; die Welt ist auseinandergerückt.
Ich weiß, dass ich morgen zuhause sein werde, ich weiß, dass ich morgen nicht krank werde. Ich weiß, dass ich morgen niemanden anstecken kann. Sicher.
Ich weiß, dass ich nächste Woche am bequemsten Ort meines Zuhauses, in den bequemsten Klamotten die ich habe, nicht weniger erreiche, als wenn die Distanz nicht da wäre. Gewiss.
Ich weiß, dass es sich länger anfühlt als er her ist, als wir noch lustige Geschichten mit fröhlichen Konjunktiven erzählt haben und neugierig in die Zukunft blickten, die uns jeder neue Tag mit dem Frühstück servierte. Glücklich?
Ich weiß, dass sich die Welt verändert hat. Ich weiß, dass sich Distanz einst kalt und einsam angefühlt hat, allein gelassen, auf sich gestellt. Ich weiß, wie lange das her ist, obwohl es sich nicht so anfühlt. Aber ich weiß nicht, ob mich die Distanz glücklich machen kann – nur, dass die Distanz sicher und gewiss ist. Und ich weiß, dass ich warten werde.